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Neuigkeiten der Stadtteilschule Walddörfer


Ein Tag im Flüchtlings-Informations-und Helferzentrum am Hamburger HBF

Eva Deckner, Jg. 12

Paulina und Merle unterstützten die Flüchtlinge am Hauptbahnhof. Dies ist ihr Erfahrungsbericht:
In der Projektwoche unseres Psychologie-Profils „Body & Mind“ haben wir am letzten Tag freie Zeit, um uns selbstständig für Flüchtlinge sozial zu engagieren. Ich entscheide mich, zusammen mit anderen Mitschülern aus meinem Profil am Hauptbahnhof zu helfen.

Am Freitag komme ich gegen 13 Uhr am Hauptbahnhof an. Auf dem Weg dorthin ist mir schlecht. Ich habe Angst und fühle mich unsicher. Ursprünglich wollte ich in die Messehallen fahren um dort zu helfen, doch als ich hörte, dass am HBF auch Helfer benötigt werden, und man dort auch direkt Flüchtlingen helfen kann, hatte ich mich umentschieden. Auch weil ich sowieso nochmal zu den Messehallen wollte, um dort zu spenden und die Spenden zu sortieren.

Ich habe Angst, weil ich überhaupt nicht weiß, was auf mich zukommt und ob ich die Situation aushalten werde. Ich gehe also zu der Informationsstelle und frage, wo und wie ich helfen kann. Ich bekomme eine Warnweste und mir wird gesagt, ich solle helfen wo ich kann. Ich stehe so zirka 15 Minuten da und weiß nicht weiter. Bis dann ein anderer Helfer auf mich zukommt und mich fragt, ob ich ihm helfen könne. Er bringt mich zu einer Gruppe junger Männer, die gerade am HBF angekommen ist. Ich solle übernehmen. Das bedeutet, dass ich nachfragen muss, wohin es gehen soll und ob sie sonst etwas brauchen (Essen, Wasser, etc.). Einer der Männer spricht gut Englisch und ist sehr freundlich. Er erklärt mir, dass sie nach Frankfurt wollen und nur mit einem Direktzug fahren dürfen, da sie kein Geld für eine Fahrkarte haben und somit ohne fahren dürfen (Flüchtlinge aus Syrien dürfen in der Regel umsonst mit Direktzügen fahren). Ich schaue also nach, von wo aus der nächste direkte Zug nach Frankfurt fährt und bringe sie zum Gleis. Wir unterhalten uns am Gleis ein bisschen auf Englisch.
Meine Anspannung löst sich. Nachdem ich sie in den Zug begleitet habe, gehe ich selbstständig auf die Flüchtlinge zu und frage, ob ich helfen könne. Doch die meisten verstehen kein Englisch. Also suche ich mir jemanden, der ihre Sprache beherrscht und arbeite unerwartet mit einem Flüchtling zusammen, der vor vier Wochen hier in Hamburg angekommen ist. Er spricht sehr gut Englisch, sodass wir uns gut verständigen können und er gut übersetzen kann. Er ist sehr nett, 19 Jahre alt, allein aus Syrien geflohen, und hilft, seitdem er hier ist, Tag und Nacht. Er hat sehr viel Energie.

Wir helfen vielen Flüchtlingen gemeinsam. Eine Begegnung vergesse ich nie. Ich bin seit vier Stunden vor Ort und sehe einen Jungen etwas weiter alleine stehen. Ich gehe auf ihn zu und frage, ob er Hilfe braucht. Er versteht mich nicht. Ich hole Abid (meinen Flüchtlingshelfer) und er übersetzt für mich. Der Junge weiß nicht, wohin er soll. Doch er hat ein Schreiben dabei, in dem steht, dass er aus seiner Unterkunft geschickt wurde, da er sich nicht ausweisen konnte und minderjährig sei. Er sollte nach Frankfurt, um dort in eine Unterkunft für Minderjährige gebracht zu werden. Er sagt, er sei 13 Jahre alt und allein unterwegs. Wir begleiten ihn erstmal zu dem Zelt mit Essen und Trinken und er bekommt etwas zu essen. Er sagt, er habe Hunger, doch er wolle nichts essen. Ich sage, er solle es sich in seine Tasche packen, für später. Er tut das. Er ist sehr zurückhaltend und weicht jedem Augenkontakt aus. Wir bringen ihn zum Gleis und warten eine halbe Stunde zusammen bis der Zug kommt. Als er in den Zug steigt, dreht er sich nochmal um, guckt mich an und sagt auf Deutsch ganz leise „Danke“. Ich lächele und nicke ihm zu. Mir kommen die Tränen.

Nachdem der Zug abgefahren ist, melde ich mich ab und verabschiede mich von Abid. Ich kann nicht mehr. Ich bin kraftlos und erschöpft.
Es ist zwar wirklich toll helfen zu können, und ich bin so froh, dass ich meine Angst überwunden habe, doch mir wird zum ersten Mal wirklich bewusst, wie schlimm die Situation ist. Ich schäme mich, dass ich nun nach Hause fahren kann und bin unruhig, weil ich nicht weiß, wohin die ganzen Menschen gehen und ob sie irgendwann in Frieden irgendwo ankommen können. Ich bin erfüllt und doch erschöpft. Ich habe seitdem noch einmal am HBF geholfen und auch bei den Messehallen und ich fange demnächst ehrenamtlich bei einer Organisation an, die Kosmetikbeutel für Flüchtlinge nähen. Denn mir ist seitdem noch viel mehr bewusst, wie wichtig es ist, jetzt zu helfen, und egal, was man tut, man ein Stück bewegt. Auch in einem selbst.

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